Outing - die einen machen es, die anderen wollen es auf keinen Fall. Die Umgebung spielt in jedem Fall mit bei dem Spiel. Im einen Fall durch ihre Reaktion auf das (freiwillige) Outing, im anderen nicht so selten, wie man sich das wünschen sollte, durch ein zwangsweises Outing per mehr oder weniger boshaftem und öffentlichem Klatsch.

1. Die erste Frage ist natürlich, ob man das verhindern kann.

Die Antwort ist recht simpel: Ja und nein.

Unangenehme Folgen eines freiwilligen Outings kann man sich ersparen, indem man darauf einfach verzichtet.

Niemand, der SM nicht immer ganz allein im stillen Kämmerlein, ohne jeden Partner, ohne jeden öffentlichen Auftritt bei einer Party o.a. und ohne jede Äußerung per Mail, Forenposting etc. betreibt, ist jedoch sicher davor, dass andere etwas davon mitbekommen und das verbreiten.

Weniger schlimm kann, muss aber nicht das freiwillige Outing verlaufen, mit dem man ein zwangsweises ebenso wie Erpressungsversuche verhindern kann. Bloß fängt man sich damit u.U. erst Probleme ein, die man sonst nie im Leben hätte.

Es muss jeder selbst wissen, wozu er sich entschließt. Nur sollte sich ebenso jeder bewusst machen, dass nichts zwingend ein Geheimnis bleibt, von dem mehr als einer Kenntnis hat, und wenn man sich noch so sehr darum bemüht. Kleine Zufälle reichen aus, um weit mehr zu verraten, als einem lieb ist.

2. Was also tun, wenn man durch ein Outing unter Druck gerät?

Bis zu einem gewissen Punkt ist es dabei unerheblich, ob das Outing freiwillig oder unfreiwillig erfolgt. Der Unterschied liegt allein darin, im ersten Fall rechnet man mit Problemen, dummen Bemerkungen, womöglich gar echten Schwierigkeiten, im zweiten wird man davon vollständig überrascht. Betroffen und verletzt ist man in beiden Fällen, und zwar auch sehr persönlich.

Wie heißt es so schön - Ruhe bewahren ist die erste Bürgerpflicht.

Geht das überhaupt? Eigentlich nicht. Wer am Arbeitsplatz dem Spott seiner Kollegen ausgesetzt ist, vom Vermieter Ärger bekommt oder öffentlich im Lokalblatt durchgehechelt wird, dem liegt kaum etwas ferner als Ruhe.

Was oft hilft, sie zu finden: Sich einfach einmal bei jemandem ausheulen, mit Schimpfen und Toben und Heulen, für den SM kein Fremdwort ist, der womöglich Ähnliches auch erlebt und ein offenes Ohr für solche Gespräche hat.

Eine Liste möglicher Ansprechpartner finden Sie hier; diese Liste wird ständig ergänzt. Scheuen Sie sich auch nicht davor, Freunde aus dem SM-Umfeld anzusprechen; die unten genannten Personen sind ja nur einige wenige von all denen, die in einer solchen Krise bereit sind, durch Zuhören oder mehr zu helfen.

Diese Unterstützung ist selbstverständlich kostenlos. Zögern Sie nicht, sie in Anspruch zu nehmen; es ist oft eine wirkliche Hilfe, sich auszusprechen, und alle Genannten wissen, wovon sie reden, wenn es um SM geht und um Probleme in diesem Zusammenhang.

Solange Sie nicht ausdrücklich Öffentlichkeit wünschen, werden Ihre Angaben absolut vertraulich behandelt; das versteht sich von selbst.

Von der emotionalen Belastung einmal abgesehen - die in schlimmen Fällen möglicherweise sogar eine Unterstützung durch eine fachkräftige Betreuung nötig macht, Psychotherapeuten etc. - stehen in einer solchen Situation allerdings oft auch gravierende praktische Probleme im Raum, die man einfach anpacken muss. Auch wenn man am liebsten weglaufen und den Kopf in den Sand stecken möchte.

3. "Nur" Klatsch ...

In vielen Fällen handelt es sich glücklicherweise "nur" um sozusagen atmosphärische Probleme, also um eine unangenehme Stimmung. Die man versuchen kann, durch offene, gleichwohl jedoch entschiedene Gespräche anzugehen. Eine vollständige oder gar schlagartige Verbesserung sollte man davon allerdings nicht erwarten. Toleranz zu schaffen gegenüber SM, auch im eigenen, vertrauten Umfeld von Menschen, die einen gut kennen, ist ein langwieriger, mühseliger und frustrierender Prozess.

Ja, und was sage ich all diesen Leuten, die hinter meinem Rücken Klatsch und Tratsch über mich verbreiten?

Den Stein der Weisen gibt es dafür leider nicht; es ist etwas, das man nur konkret im Einzelfall überlegen kann. Deshalb auch die Liste der Ansprechpartner - sie können aus Erfahrung und Nachdenken konkrete Tipps im speziellen Notfall geben.

Diese konkreten Tipps sind es auch, auf die es entscheidend ankommt; alles andere wäre nutzloses Theoretisieren.

Ein Einwand, der uns häufig begegnet, ist der, SM sei Gewalt. Hier finden Sie Gegenargumente gegen dieses Vorurteil.

4. ... oder mehr?

Sofern der Klatsch handfeste Auswirkungen hat, einen öffentlichen Zeitungsartikel, eine Abmahnung, eine Kündigung o.ä., ist man einerseits schlechter dran, weil gleich eine sehr reale Gefahr droht.

Andererseits hat man einen großen Vorteil - die Folgen haben sich aus dem Privatleben hinausbegeben, und damit stehen dem Betroffenen alle rechtlichen Mittel zur Verfügung, die unser Rechtssystem für ungerechtfertigte Eingriffe zur Verfügung stellt.

Bei einer Abmahnung oder Kündigung wird der Anwalt, an dem kein Weg vorbeiführt, die entsprechende Beratung vornehmen und die notwendigen Gegenmaßnahmen auch selbst in die Wege leiten.

Dasselbe gilt, falls es um einen Sorge- oder Umgangsrechtsfall im Rahmen der Scheidung oder danach geht, wo SM zu Lasten eines Elternteils negativ eingeführt wird - hier ist man ohnehin anwaltlich vertreten und sollte auch dieses Problem offen mit dem Anwalt klären. Hilfreich ist es dabei, ihm vielleicht Literatur an die Hand zu geben, die SM schildert, wie es wirklich ist, und sich nicht auf die üblichen Vorurteile von Gewalt etc. beschränkt. Da sind wir gefragt - der Anwalt hat im Zweifel kein ausreichendes Wissen.

Gegen einen Zeitungsartikel mit falschen Behauptungen kann man sich auch selbst wenden, indem man den Abdruck einer Gegendarstellung verlangt.

Achtung: Nur ist eben eine Behauptung nicht falsch, die einen SM'ler in die Nähe von SM bringt. Falsch ist aber sehr wohl die Behauptung, man habe deshalb beispielsweise etwas mit Gewalt oder Pornografie zu tun. Und genau dagegen kann man sich auch wehren.

Allerdings bringt eine Gegendarstellung praktisch nicht viel; der Ruf ist dennoch angekratzt. Auch hier sollte man es deshalb in Betracht ziehen, einen Anwalt zu Rate zu ziehen, der erstens viel überzeugender und energischer auftreten kann, und zweitens auch weitere Maßnahmen wie eine Unterlassungsklage u.a. in die Wege leiten.

Gegen wirklich boshaften Klatsch, der nicht einfach nur dummes Gerede ist, sondern die Grenze zur Beleidigung oder zur üblen Nachrede/Verleumdung überschreitet, kann man natürlich auch per Strafanzeige vorgehen.

Aber: Solche Delikte sind so genannte Privatklagedelikte. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft ermittelt im Normalfall nicht. Es sei denn, es sei ein besonderes öffentliches Interesse gegeben. Das wird nur in den seltensten Fällen bejaht, bei einer Person des öffentlichen Lebens beispielsweise.

Ansonsten kann man gegen Beleidigungen und Verleumdungen auch zivilrechtlich vorgehen, über eine Unterlassungsklage. Der ggf. eine Schadensersatzklage folgen kann, falls durch die bösen Gerüchte ein Schaden entstanden ist. Insofern ist wiederum ein Anwalt die richtige Adresse für konkrete Hinweise und Aktionen.

Oft kann auch eine Anzeige wegen Stalking helfen. Nicht selten verfällt derjenige, der mit dem Outing droht, auch gleichzeitig ein Stalker - und inzwischen ist das Stalking ja auch in Deutschland strafbar. Die Durchsetzung dieser Norm ist allerdings praktisch nicht immer einfach.

5. Gegenöffentlichkeit

Ja, und was kann man sonst tun? Was können insbesondere andere SM'ler zur Unterstützung tun, wenn einer von uns betroffen ist?

Zum einen etwas ganz Wichtiges - zuhören. Von den eigenen Erfahrungen berichten. Nachdenken und Tipps geben.

Damit möglichst viele eine solche Hilfe gewähren können, bitten wir alle die, die helfen möchten, sich als Ansprechpartner für die Liste unten zur Verfügung zu stellen.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, Öffentlichkeit zu schaffen; eine Art Gegenöffentlichkeit.

Das ist nicht immer hilfreich. Wer ohnehin schon Probleme hat, weil die intimsten Dinge zur öffentlichen Diskussion stehen, ist nicht unbedingt daran interessiert, die Diskussionsbasis noch zu verbreitern.

Dass es deshalb keine Gegenöffentlichkeit ohne ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen gibt, versteht sich daher von selbst.

Falls dieser geäußert wird, kann jeder von uns sehr viel tun: Alle diejenigen anschreiben, die er selbst aus der SM-Gemeinde kennt, einen entsprechenden Artikel auf der eigenen Internetseite veröffentlichen, die Teilnehmer von Foren und Mailinglisten informieren, in denen man Mitglied ist. Die SM-News anschreiben, das aktuelle Nachrichtenmagazin der Szene.

Unter all denen, die auf diese Weise erreicht werden, sind sicherlich genügend, die Öffentlichkeit auch auf andere Weise herstellen können, indem sie vorhandene Kontakte zu Personen außerhalb des SM-Umfeldes nutzen; vor allem natürlich zu Journalisten.


Es klingt nach sehr wenig; und dennoch ist es eine ganze Menge, was jeder einzelne tun kann. Vor allem, wenn es sehr viele einzelne gibt, die mitwirken.

Wir müssen immer daran denken: Das einzige, was uns wirklich weiterbringt, ist eine gewisse Solidarität untereinander; privat wie öffentlich. Wenn wir uns nicht helfen, hilft uns keiner. Den Schwulen und Lesben hat ihre Solidarität die Anerkennung längst eingebracht; nur wir SM'ler hinken noch immer hinterher.

Es kann jeden von uns jeden Tag treffen. Wer also heute hilft und damit etwas in den großen Topf tut, ist vielleicht schon morgen froh, sich daraus auch selbst bedienen zu können. Das klingt kitschig - es ist aber so.